Licht ins Dunkel #7 Alina Sophie Schäfer

Heute steht hier im Blog eine Darstellerin im Rampenlicht, deren Vorstellung uns vor ein redaktionelles Dilemma stellt.

Alina Sophie Schäfer ist schon seit fünf Jahren eine der Sonnen des tollMut-Universums. Man trifft sie als Assistentin eurer Majestät an, beim Tapezieren der Innenstadt mit Plakaten, als Backstage-Managerin, Darstellerin oder Workshop-Junky mit Dauerkarte und Treueprämie. Eines steht fest wie die Bundfalte in der gleichnamigen Hose: Wer sich in den vergangenen Jahren im tollMut-Kosmos bewegt hat, rotierte irgendwann auf seiner Umlaufbahn auch an Alina vorbei. Das gilt in besonderem Maße für die treuesten, feingeistigsten und gescheitesten tollMut-Ultras - also alle, die mit Interesse die hohe Kunst dieses Blogs verfolgen. Ohne Alina wäre diese bloggewordene Liebeserklärung an den Qualitätsjournalismus nämlich überhaupt nicht denkbar. Seit Jahren jagt sie für uns mit Blitzlicht, Block und Bleistift hinter türmenden Darstellenden her. Dass wir hier eine lückenlose (...) und hochwertige (...) Aufarbeitung aller (...) tollMut-Produktionen vorzuweisen haben, ist also auch Alinas Verdienst!

 

Nun zu unserem Dilemma: Wie sollen wir über eine der unseren berichten? Wenn wir hier bloß - und das wäre angemessen, wie ich betonen möchte - ihre Herrlichkeit lobpreisen, unterstellt man uns am Ende mal wieder Unprofessionalität und Vetternwirtschaft. Zu viele Details über Alinas Durchhaltevermögen an der Karaokemaschine (Weihnachtsfeierendstand: 17 x “Torn”, 73 x “White Flag”) können wir wiederum auch nicht ausplaudern. Die Frau hat einfach zu viel gegen uns in der Hand. Wir bleiben also einfach bei den harten Fakten und beten, morgen früh keine Gegendarstellung im Blog zu finden. Mit Fotos von uns bei der Weihnachtsfeier, splitternackt auf den Tischen Macarena tanzend.

Wenn man jemanden seit vielen Lenzen kennt und stets und ständig Zeit verbringt, bleibt manche Veränderung im Wesen des Gegenübers unbemerkt. Gefühlt war es erst gestern, als man den Verschluss von einer preiswerten Flasche Müller-Thurgau schraubte. Heute entkorkt man den furztrockenen Roten, prahlt damit, sich den edlen Primitivo für 8 Euro zu gönnen, und fragt sich nebenbei, wann um alles in der Welt man erwachsen geworden ist. Alina macht es ihren Wegbegleiter*innen leichter, den Überblick über ihren Reifungsprozess zu behalten. Die Meilensteine können schließlich inzwischen alle paar Monate auf der Bühne bestaunt werden. Wer vor ein paar Jahren bei einem unserer Workshops Alinas erste wackeligen Gehversuche als Schauspielerin beobachtet hat, danach in einen Dornröschenschlaf gefallen ist und erst vorgestern wieder zu Bewusstsein kam, wird nächste Woche seinen Augen kaum trauen: Alinas inzwischen drittem Auftritt auf Siegens Bühnen ist keinerlei Hemmung mehr anzumerken. Im Gegenteil: Bei ihrer Darstellung des Harold Gorringe strahlt sie eine Souveränität und Gelassenheit aus, bei der Yoga-Gurus vor Neid in die Matte beißen würden. 

 

“Harold Gorringe?”, fragt ihr da? “Harold?”, wiederholt ihr ungläubig? “Das ist doch ein Männername!”, empört ihr euch schließlich? Stock aus dem Hintern, Freunde! 400 Jahre nach Shakespeare und 13 Jahre nach der Premiere von Rupaul’s Drag Race interessieren wir uns bei tollMut schon lange nicht mehr für die genitale Kompatibilität von Darstellenden und Rollenfiguren! Es heißt ja schließlich nicht Schauspiel, weil das Publikum dabei zuschauen darf, wie man immer wieder sich selbst spielt. Sonst würde es Schauwieimmer heißen und für so einen Mumpitz würde kein Mensch Karten kaufen! Viel interessanter als Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Fragen der Geschlechtsidentität ist ohnehin eine andere Differenz: Während Kunstliebhaber Harold bei der Lektüre eines ausschweifenden Artikels über seine Person wohl in schrillen Jubel verfallen würde, steht Alina mit ihren Geschichten nur ungern im Zentrum der Aufmerksamkeit.
 

So richtig verstehen wir vom Blog Alinas Abneigung gegen das Rampenlicht nicht. Schließlich war sie in YVONNE zweifellos die Queen des Ensembles, diesmal als Drama Queen schon wieder royal veredelt unterwegs und hat auch abseits von tollMut in “203” von Drama Statt Siegen ein appetitliches Bild abgegeben. Außerdem hat sie uns gestanden, sich seit ihren Kindheitstagen im Dunkeln zu fürchten, sodass damals die Tür zur Schlafenszeit immer ein Stückchen aufbleiben musste. Wenn schon ein Spalt Licht die nächtliche Unruhe vertreiben kann, dürfte grelles Rampenlicht doch wahre Wunder bei der Beseitigung von klammer Befangenheit wirken! Wir jedenfalls freuen uns, dass am nächsten Mittwoch wieder alle Spots auf unsere liebe Freundin und Blog-Kollegin gerichtet sind, wenn die KOMÖDIE IM DUNKELN endlich zur Aufführung kommt! 

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